Warum Reboarder?

Wie bereits im Artikel über Kindersitze berichtet, unterscheidet man bei Kindersitzen zunächst zwischen Front- und Reboardern. Diese unterscheiden sich in der unterschiedlichen Einbaurichtung im Auto. Wenn man in Deutschland auf die Suche nach Kindersitzen geht, wird man sowohl im Internet, als auch in den Geschäften hauptsächlich Frontboarder antreffen. Wenn man sich mal auf die Sicherheit des Kindes konzentriert, dann ist diese Tatsache eher unverständlich. In Schweden beispielsweise fahren so ziemlich alle Kinder bis ins Alter von 4-6 Jahren entgegen der Fahrtrichtung, da es einfach erwiesener Weise um einiges sicherer ist.

Bevor ich zu den Vorteilen von Reboardern komme, hier ein paar Argumente, wieso Frontboarder von vielen bevorzugt werden. Viele der Vorurteile scheinen zunächst richtig, aber nach ein wenig Nachdenken bestätigt sich das Gegenteil:

(Scheinbare) Gründe für Frontboarder:


„Mein Kind muss doch was sehen“


Ein Großteil der Eltern möchte ihr Kind möglichst schnell vorwärts fahren lassen.
Ein Grund dafür ist, das Kind in einem Reboarder nichts sehen würde. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Denn vorwärts gerichtet ist es viel anstrengender, die schnell herankommenden Dinge außerhalb des Fahrzeuges zu fokussieren. Rückwärts gerichtet ist es für die Augen angenehmer, die sich entfernende Umgebung zu beobachten.


„Ich will mein Kind sehen“


Das stimmt. Wenn man alleine fährt, sieht man sein Kind nicht. Abhilfe schafft hier aber ein einfacher Spiegel an der Kopfstütze der Rückenlehne, über welchen man dann im Rückspiegel sein Kind wieder sehen kann.


„Rückwärtsfahren macht schlecht“


Ein weitere Grund sind Befürchtungen, dem Kind könnte beim Rückwärtsfahren schlecht werden, so wie es einigen Erwachsenen widerfährt. Allerdings ist das Kind von der Babyschale ja nichts anderes gewohnt, die Wahrscheinlichkeit, dass es ihm auf einmal schlecht werden sollte, ist eher gering. Darüber hinaus kann es Kindern, die an Reisekrankheit leiden (welche im Übrigen erst mit ca. 4-6 Jahren auftritt), so oder so schlecht werden. Das ist dann unabhängig von der Fahrtrichtung.


„Mein Kind ist zu eingeengt bei Reboardern“


Viele sind der Meinung, im Reboarder habe man weniger Platz, da die Rückenlehne im Weg ist. Dies ist zwar richtig, aber keinesfalls nachteilig. Denn oft ist es für das Kind sogar eher unangenehm, wenn die Beine vom Sitz herunter baumeln, ohne auf dem Boden aufzustehen. Beim Reboarder dagegen liegen die Beine/Füße immer auf etwas auf. Zusätzlich ist es für viele Kinder sogar bequemer, die Beine etwas angewinkelt zu haben. Lediglich an einen Schutz an der Rückenlehne sollte man denken, wenn das Kind mit Schuhen im Auto sitzt. Dass aufliegende Beine bequemer sind als frei hängende ist übrigens nicht nur bei Autositzen der Fall. Bei Kindertragen zum Beispiel gibt es dieses „Problem“ ebenfalls. Bei der Kindertrage Deuter Kid Comfort III wurde dies mittlerweile erkannt und nur aus dienem Grund spezielle Fußstützen angebracht (siehe separater Bericht).


„Reboarder verbrauchen so viel Platz und haben meißtens einen störenden Stützfuß“


Naja, der Platzverbrauch ist durchschnittlich tatsächlich größer, aber auch bei Frontboardern gibt es Zwerge und Riesen. Man sollte natürlich den Sitz an das Platzangebot des Autos anpassen. Und man wird sich sich ja wohl kaum gegen einen Reboarder nur aufgrund des höheren Platzverbauches entscheiden, damit der Beifahrer es bequemer hat.


„Der Einbau ist so schwierig und kompliziert“


Auch hier gebe ich den Fronboardbefürwortern zunächst recht. Aber man sollte doch in der Lage sein, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen und sich mit dem Handling vertraut zu machen. Abgesehen davon bietet jedes Geschäft an, einem beim ersten Einbau zu helfen. Und sollte man den Sitz im Internet gekauft haben, so gibt es zu fast jedem der Sitze Herstellervideos zum richtigen Einbau.


„Reboarder sind so teuer“


Leider sind Reboarder tatsächlich sehr teuer. Insbesondere, da man mit max. 6 Jahren eine weiteren Folgesitz braucht. Allerdings sollte hier die Sicherheit im Vordergrund stehen und man weiß ja bereits bei Geburt des Kindes, dass in Zukunft ein neuer Sitz gebraucht wird. Zeit zum Sparen gibt es also. Der Grund für den Preis ist hauptsächlich auf Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Die meißten Kaufen eben Frontboarder, wodurch der Absatz der Reboarder gering, der Preis hoch bleibt. Zusätzlich wird hauptsächlich für vorwärts gerichtete Sitze geworben und es gibt tatsächlich Leute (persönlich mir bekannt), die gar nicht wissen, dass man nach der Babyschale sein Kind rückwärts transportieren kann! Also die Medien spielen hier ebenfalls eine goße Rolle.


„Reboarder sind bei einem Heckunfall nicht mehr so sicher”


Dazu zunächst drei Punkte:

1) Heckunfälle ereignen sich statistisch gesehen viel seltener (nur ca. 4 % der Unfälle mit schweren Verletzungen) als Unfälle von vorne (ca. 66%). Den Rest machen Seitencrashs (ca. 27%) und Überschläge (ca. 3%) aus (Quelle).
2) Unfälle von hinten sind weniger gefährlich, da der Geschwindigkeitsunterschied geringer ist. Das Auto, welches angefahren wird, bewegt sich meist entweder in die gleiche Richtung oder steht, fast nie kommt es einem von hinten auffahrenden Auto entgegen.
3) Die hintere Knautschzone ist besonders bei Fahrzeugen mit kleinem Kofferraum recht klein. Bei Reboardern sitzt das Kind dafür weiter entfernt von der Rückseite des Autos als bei Frontboardern.

Es ist eigentlich paradox, dass dieses Argument für einige gegen einen Reboarder spricht. Denn wer versteht, dass Reboarder bei Heckunfällen unsicherer sind als Frontboarder (was tatsächlich der Fall ist), muss im Umkehrschluss verstehen, dass Frontboarder bei einem Frontalcrash unsicherer sind als Reboarder. Und wenn man sich Punkt 1) und 2) noch einmal anschaut, dann sollte einem klar sein, welcher der zwei Sitztypen statistisch gesehen sicherer ist.

Besonder hier darf übrigens der Hinweis auf die richtige Kleidung im Kindersitz nicht fehlen, denn diese ist bei Reboardern besonders wichtig im Falle eines Heckunfalles. Das Kind sollte nie in Winterkleidung im Kindersitz transportiert werden. HIER habe ich bereits darüber geschrieben (inkl. Crashtest Video zur Veranschaulichung)


„Reboarder schneiden bei Tests aber oft schlechter ab“


Dies hat einen einfachen Grund. Die schlechteren Noten sind meistens nicht auf die Sicherheit zurückzuführen, sondern auf die Handhabung. Reboarder sind ein wenig komplizierter beim Einbau. Leider hat die Handhabung ein recht großes Gewicht bei den Tests, wodurch die Note schnell verschlechtert wird. Man sollte sich bei Tests also immer die Details anschauen.


„Der Kopf fällt nach vorne beim Schlafen“


Jeder Kindersitz ist umso sicherer, je aufrechter das Kind sitzt. Ausnahme sind hier nur die Babyschalen, wo das Baby, welches noch nicht sitzen kann, eher liegend transportiert wird. Bei vorwärts gerichteten Kindersitzen kann man aber den Kopfteil recht flexibel und unabhängig vom Sitz einstellen, sodass der Kopf beim Schlafen nicht so leicht nach vorne fällt. Bei Reboardern dagegen kommt dies häufiger vor. Gefährlicher ist das aber nicht. Denn im Falle eines (Front)Unfalls wird der Kopf automatisch in die richtige Position gebracht. Zugegeben stört es mich aber auch, dass Zofias Kopf nach vorne fällt, sobald sie schläft. Abhilfe schafft da ein Schlafkissen, welches den Kopf sicher und in einer optimalen Position fixiert. Wir benutzen dafür das Sandini Sleepfix.

 

So, allen, die jetzt noch nicht wissen, ob vorwärts oder rückwärts gerichteter Sitz, kann ich folgendes ans Herz legen:

Gründe für Reboarder:

Im Prinzip gibt es nur einen Grund für Reboarder:


Rückwärtsfahren ist sicherer


Wieso ist das so?

Der Kopf eines Kleinkindes ist im Verhältnis zu seinem restlichen Körper viel schwerer als bei Erwachsenen. Bis zu 25% des gesamten Körpergewichtes macht der Kopf aus. Hinzu kommt die noch nicht voll ausgebildete Nacken- und Rückenmuskulatur. Diese zwei Dinge zusammen können bereits erahnen lassen, was für Kräfte bei einem Unfall auftreten und wie diese vom Körper aufgenommen werden. Besonders bei einem Frontalunfall mit vorwärts gerichtetem Sitz ohne Fangkörper wird die komplette Energie fast vollständig von den zwei Schultergurten abgefangen, was zu sehr starken Verletzungen führen kann. Fangkörper schaffen hier etwas Abhilfe und vermindern das Einschneiden der Gurte, die Kräfte auf den Kopf allerdings sind weiterhin relativ groß. Als Folge von dieser ungleichen Kräfteverteilung entsteht eine extrem große Zugkraft auf die Wirbelsäule. Das darin befindliche Rückenmark kann dadurch gedehnt werden und im schlimmsten Fall reißen. Dies führt in den meisten Fällen zum Tod oder Querschnittslähmung.
Dagegen sollte es einleuchtend sein, dass bei einem rückwärts gerichteten Sitz die Kräfte viel besser verteilt sind. Rücken, Hals und Kopf liegen flach an der Lehne des Kindersitzes und fangen gleichermaßen die Kräfte auf. Eine punktuelle Kraftaufnahme gibt es dabei nicht. Um sich ein Bild davon zu machen, veranschaulicht folgender Crashtest das Verhalten von Front- und Reboardern sehr gut und sollte wirklich jeden überzeugen.

Hier nochmal als Grafik zusammenfassend:

Kräfteeinwirkung auf Front und Reboarder, Quelle: Kramer 2006
Kräfteeinwirkung auf Front und Reboarder, Quelle: Kramer 2006

Auch bei einem Seitenaufprall sind im übrigen Reboarder im Großteil der Fälle sicherer. Denn oft sieht man ein such von der Seite annäherndes Fahrzeug und bremst stark. Dadurch wird das Kind in die Rückenlehne des Sitzes gedrückt und die Seitenbacken können ihre Funktion voll erfüllen. Dagegen wird das Kind bei einem vorwärts gerichteten Sitz durch das Bremsen aus seinem Sitz gezogen und befindet sich somit außerhalb der Seitenbacken.

Schlusssatz

Leider wird über die Vorteile von Reboardern noch zu wenig aufgeklärt, das Verhältnis von Front- und Reboardern auf dem Markt ist weiterhin unausgewogen und die Preise sind noch sehr hoch. Informationen zu Reboardern gibt es allerdings viele im Internet, man muss sie allerdings selber suchen, und das machen die wenigsten.
Ein wenig hat sich allerdings in dieser Richtung bereits getan. Immerhin wird die neue I-size die noch aktuelle ECE Norm 44 bis ca. 2018 ablösen. Nach dieser müssen Kinder nun bis zu einem Alter von 15 Monate rückwärts transportiert werden. Das zeigt bereits, wie wichtig Rückwärtsfahren für die Sicherheit ist.

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Post Author: lovetravellingfamily

2 thoughts on “Warum Reboarder?

    Sandra

    (13th April 2019 - 11:53 am)

    Hallo,
    toll, dass du über Reboarder berichtest. Ich bin auch total überzeugt von dieser Art von Kindersitzen und wundere mich immer, warum nicht mehr Eltern ihre Kinder so transportieren. Aber vielleicht hilft dein Beitrag ja, dass dieses Thema von mehr Menschen gelesen wird. Wäre schön.

    Grüße
    Sandra

      lovetravellingfamily

      (11th Juni 2019 - 2:02 pm)

      Danke Sandra,
      freut mich zu hören, dass auch ihr Reboarder nutzt. Auch für uns ist es keine Frage, ob das Kind vorwärts oder rückwärts gerichtet sitzt, denn die Sicherheit ist in Reboardern einfach am höchsten.
      Viele Grüße und danke fürs Lesen/Weitersagen

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